Wir dokumentieren an dieser Stelle einen Artikel aus dem Klassenstandpunkt #11.
Olga Benario
„Das Leben und der Kampf der Revolutionären wie Olga, Kommunistin und Internationalistin, war nicht umsonst; ihr Heldentum ist ein Beispiel und Inspiration für die heutige Jugend.“[1]
Olga Benario wurde am 12. Februar 1908 in München als jüngstes Kind in eine jüdische Familie geboren. Ihr Vater war Anwalt und Mitglied der SPD. Schon früh politisierte sie sich über die Einsicht in Prozessakten ihres Vaters, der arme Bauern und Arbeiter vertrat.[2] Mit 15 wurde sie Mitglied bei der damals schon illegalen Schwabinger Kommunistischen Jugend, dort war sie für ihren ungewöhnlichen Mut bei der täglichen Organisationsarbeit und Flugblattverteilung, ihr großes Interesse an militärischer Ausbildung und Strategie, sowie ihre Belesenheit in marxistisch-leninistischer Theorie bekannt und nahm schon als Fünfzehnjährige Führungspositionen ein.[3] Zuhause führte sie ideologische Kämpfe gegen ihren Vater, in denen sie ihm vorwarf, dass er mit seiner „Hilfe“ für die Unterdrückten, ihre Situation nur vorübergehend verbessere und dabei ihre Kampfmoral schwächen würde. Bereits als Siebzehnjährige wurde sie in den Münchener Polizeiakten als „kommunistische Agitatorin“ geführt.[4] 1923 lernte sie ihren Genossen und späteren Freund Otto Braun kennen, mit dem sie als Achtzehnjährige nach Berlin-Neukölln ging, um dort ihre Arbeit für die Kommunistische Partei zu intensivieren. Teil dieses Sprungs war der Bruch mit ihrer Familie.
In Berlin kämpfte sie im Zentralkomitee des Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD), der Jugendorganisation der KPD. Sie leitete Aktionen, Diskussionen und Demonstrationen. Sie wusste sich mit den jungen Arbeitern, Arbeitslosen und Auszublenden zu verbinden und sie zu politisieren, mobilisieren und organisieren. In ihren freien Stunden unterstützte sie Otto Braun bei der Verfassung von Texten.
Als sie gemeinsam mit Otto Braun wegen Hochverrats verhaftet wurde, kam sie nach wenigen Monaten wieder frei, es gibt Quellen die behaupten ihr Vater habe ihre Freilassung erwirkt.[5] Am 11. April 1928 führte sie, gemeinsam mit sechs anderen KJVD-Genossen, den Auftrag der Partei, Otto Braun durch eine bewaffnete Aktion aus dem Gerichtssaal im Moabiter Gefängnis zu befreien, durch. Diese Aktion fand internationale Aufmerksamkeit in der bürgerlichen Presse und wurde weit über die Grenzen Deutschlands hinaus vom Proletariat gefeiert und geachtet. Gemeinsam flohen sie mit falschen Papieren in die Sowjetunion und lebten zunächst gemeinsam in Moskau im Exil. Dort studierte Olga vor allem Lenin und war Delegierte des V. Weltkongresses der Kommunistischen Jugend-internationale. In der Zeit der Trennung durch den Gefängnisaufenthalt von Otto Braun und durch die Erfüllung ihrer Aufgaben in Moskau hatte Olga Benario sich weiter entwickelt und merkte, dass ihre Beziehung sich verändert hatte. Im Gegensatz zu vorher hatte sie gelernt viel mehr Eigenverantwortung zu übernehmen und hatte sich von seiner Vormundschaft und Rolle eines „Lehrmeisters“ emanzipiert, was 1931 zur Trennung führte.
Olga wurde nach Frankreich geschickt um dort unter dem Decknamen Eva Krüger für die revolutionäre Arbeiterbewegung zu arbeiten. Nach einer Verhaftung ging sie über Belgien nach England, wo man sie erneut verhaftete und ihre Identität über einen Vergleich ihrer Fingerabdrücke mit der Münchener Polizei ermittelte. Mit Hilfe der französischen Genossen gelang es sie zu befreien und sie floh erneut nach Moskau.[6] In dieser Zeit lernte sie viel über Klandestinität und das Leben im Untergrund. Zurück in Moskau wird sie zum Präsidiumsmitglied der Jugendsektion der Komintern gewählt[7] und unterzog sich einer militärischen Ausbildung, lernte Reiten, Fallschirmspringen und Fliegen. Sie studierte den Marxismus-Leninismus und beschäftigte sich vor allem mit strategischen Fragen der Kriegsführung.
Olga Benario wurde zu einer der wichtigsten Mitarbeiterinnen der Komintern und erhielt im Sommer 1934 den Auftrag Luís Carlos Prestes bei seiner Rückführung nach Brasielien als Schutzperson zu begleiten. Prestes war damals schon Held seines Volkes und hatte sich durch die erfolgreiche Durchführung des „Langen Marsches von Brasilien“ den Namen „Ritter der Hoffnung“ im brasilianischen Volksmund verdient. Drei Jahre lang hatte er seine revolutionäre Kolonne desertierter Offiziere, befreiter Sklaven, armer Bauern und Frauen des Volkes, im Kampf gegen die Truppen von Präsident Arthur Bernades, über 26.000 Kilometer kämpfend durch die Urwälder und Sümpfe Brasiliens geführt. Getarnt als wohlhabendes portugiesisches Paar in den Flitterwochen reisten die beiden über Umwege nach Brasilien. Auf der angeblichen Hochzeitsreise verliebten die beiden sich wirklich.[8]
In Brasilien formierten sich die gewaltigsten Massenbewegungen, die das Land bis dahin gekannt hatte. Die Reaktion antwortete mit ungeheuerlichem Terror gegen die Front der Nationalen Befreiung, die eineinhalb Millionen Menschen umfasste. Olga Benario und Prestes bereiteten den bewaffneten Aufstand des 27. Novembers 1935 unter anderem mit den deutschen Kommunisten Arthur Ewert und Elisabeth Saborowsky-Ewert, auch bekannt als Sabo Ewert, vor. Dabei war Olga Benario für den Fortschritt der Revolution von wesentlicher Bedeutung.[9] Über Brasilien herrschte der faschistische Terror. Der Aufstand wurde verraten und niedergemetzelt. Im Dezember 1935 fielen Arthur und Sabo Ewert in die Hände der brasilianischen Reaktion. Olga Benario und Prestes kämpften für die Reorganisierung der revolutionären Kader, stellten abgerissene Verbindungen wieder her und bereiteten das brasilianische Volk erneut auf den Kampf gegen ihre Unterdrücker vor. Im Januar 1936 fand die faschistische Geheimpolizei sie in einem ihrer Verstecke, die Reaktion hatte bereits den Tötungsbefehl für Luís Carlos Prestes ausgegeben. Olga Benario, zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger, erfüllte den Auftrag, das Leben von Prestes zu schützen und stellte sich zwischen die Reaktion und ihren Genossen. Nur über ihre Leiche würde die Reaktion ihn Tod bekommen. Sie schrie laut, um die Massen über den Versuch seiner Hinrichtung zu informieren und die brasilianische Reaktion zu denunzieren. Aus Furcht der Polizisten vor der Reaktion des brasilianischen Volkes und aus Unsicherheit ob für Olga der gleiche Befehl galt nahmen sie die beiden fest und warfen sie in den Kerker. Während Arthur und Sabo gefoltert wurden, saßen Olga Benario und Carlos Prestes in Isolationshaft. Sie geschützt durch ihre voranschreitende Schwangerschaft, er durch seinen Bekanntheitsgrad.
Am 23. September 1936 wurde Olga Benario im siebten Monat schwanger, gemeinsam mit ihrer gefolterten und vergewaltigten Genossin Sabo Ewert in den Laderaum eines Frachters geworfen und nach Deutschland verschleppt. Während der mehrere Wochen andauernden Gefangenschaft auf dem Frachter kämpfte sie täglich um das überleben ihres ungeborenen Kindes, sowie um ihre als auch die Moral ihrer Genossin. Nachdem die beiden in Hamburg ankamen wurden sie nach Berlin verschleppt, wo Olga ihre Tochter Anita Leocadia Perstes zur Welt brachte. Gemeinsam mit ihrer Tochter befand sie sich 14 Monate alleine in einer Zelle. Sie durfte ihre Tochter so lange behalten, solange sie sie stillen konnte, sie selbst bekam kaum Nahrung. Gemeinsam mit einem Internationalen Solidaritätskomitee kämpfte Prestes Mutter Leocadia Prestes bis sie es schaffte nach Berlin zu kommen und das Kind zu retten. Es gelang ihr die kleine Anita nach Mexiko zu bringen. Olga Benario erfuhr erst später durch einen Brief von Leocadia Prestes, dass das Kind in Sicherheit war. Sie war ihr von der Gestapo weggenommen worden und nahm an, dass sie in ein faschistisches Waisenhaus kommen oder getötet werden würde.
Später kam sie in das Konzentrationslager Ravensbrück, wo sie unter anderem mit ansehen musste, wie Sabo Ewert zu Tode gequält wurde. Trotz Folter und Kerkerhaft, hat es weder die brasilianische Geheimpolizei, noch die Gestapo geschafft sie zu brechen. Arthur Ewert war bereits in der brasilianischen Gefangenschaft, bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen worden und war gezwungen worden zuzusehen, wie die Polizisten seine Frau vergewaltigten, nachdem sie ihm ein Grab schaufeln musste. Die beiden retteten durch ihr Schweigen viele Genossen.
Olga selbst wurde von den Aufseherinnen in Ravensbrück zur Blockältesten des Block 11 ernannt, ein Block der voll war mit Kriminellen und Lumpen. Trotz dieser Voraussetzung und schärfster Repression schaffte sie es ihre Mithäftlinge zu politisieren und ihre Disziplin und Moral zu heben, sie hielt Vorträge und organisierte Kurse, literarische und kulturelle Abende, sowie Diskussionen über die deutsche Arbeiterbewegung und über das Wesen des Faschismus. Überlebende erzählten, dass sie immer wieder von der Roten Armee sprach, dem Heer der Arbeiter und Bauern und dass sie trotz der anfänglichen Erfolge der Wehrmacht in der Sowjetunion darauf bestand, dass die Rote Armee unbesiegbar und allen kapitalistischen Armeen überlegen war. Die Überlebenden berichteten auch, dass Olga Benario ihnen als junge, energische Frau, die ihre Stellung als Blockälteste nutzte, um ihren Mitgefangenen ihr schweres Leben ein wenig leichter und heller zu machen. Sie war gütig zu allen, teilte alles was sie besaß und setzte sich bei den faschistischen Aufsehern mutig für die Aufhebung von Strafen ein. Sie führte ihren konsequenten antifaschistischen Kampf unter den schlimmsten Bedingungen in einem faschistischen Konzentrationslager[10]. Am 23. April 1942 wurde Olga Benario in der Gaskammer von Bernburg von den Faschisten ermordet.
Sie steht für die Hochhaltung der Moral auch unter den schlimmsten Bedingungen des Kampfes. Sie war eine beispielhafte Kämpferin des deutschen Proletariats und des Internationalismus. In ihrem Namen sollen wir die Kraft finden so zu kämpfen, wie sie es uns vorgelebt hat und den Mut zu siegen, um sie, sowie die Millionen gefallener Kämpfer und Massen des internationalen Proletariats zu rächen.
Luís Carlos Prestes wurde nach zehn Jahren Gefangenschaft freigelassen und lebte noch lange als Mitglied der revisionistischen KommunistischenPartei Brasiliens. Im Gegensatz zu ihm ist Olga Benario auch heute noch in Brasilien von großer Bedeutung. Sie wird immer noch als Vorbild genannt und geehrt. Dafür dass sie trotz all der großen Prüfungen nie gewankt hat und sie bis zum letzten Tag ihrer Existenz fest dem Feind gegenüber stand.[11] Zum 8. März begrüßten die brasilianischen Genossen auf der Nachrichtenwebseite „A Nova Democracia“ die „Tausende[n] von wunderbaren Heldinnen des Proletariats der Welt. Wir begrüßen die Vertreter dieses glorreichen Kontingents von Frauen in der Person der unerschrockenen Kämpferin Olga Benario, aufopferungsvolle Militante der Komintern, die [eine] wichtige Rolle in der Erhebung des revolutionären Volkes 1935 hatte;[…]“[12]
[1]http://antigo.brasildefato.com.br/node/5617
[2]Ruth Werner, „Olga Benario“
[3]http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/olga-benario-prestes/
[4]http://www.galerie-olga-benario.de/olga-benario/olgas-leben/
[5]http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/olga-benario/
[6]http://www.galerie-olga-benario.de/olga-benario/olgas-leben/
[7]http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/olga-benario/
[8]https://www.nadir.org/nadir/initiativ/rev_linke/rli/benario.html
[9]http://www.culturabrasil.pro.br/olga.htm
[10]https://www.nadir.org/nadir/initiativ/rev_linke/rli/benario.html