Wir dokumentieren an dieser Stelle einen Artikel aus dem Klassenstandpunkt #10.
Die Frau im Volkskrieg in Indien
Vom 2.-4. April fand die Aktionswoche zur Unterstützung des Volkskrieges in Indien statt, in dessen Verlauf es in zahlreichen Ländern Aktionen gab und die Solidarität mit dem von der Kommunistischen Partei Indiens (maoistisch) geführten Volkskrieg propagiert wurde. Aus dem Anlass dieser erfolgreichen Woche wollen wir an dieser Stelle die Situation der Frau in Indien und ihre Rolle im Volkskrieg beleuchten.
Die Lage der Frauen in Indien ist bestimmt durch die halbkoloniale und halbfeudale Situation in der Indien durch die imperialistischen Länder gehalten wird. Das Patriarchat tritt hier mit besonders offenen und brutalen Merkmalen in Erscheinung und die doppelte Unterdrückung der Frau spiegelt sich auch in einem hohen Ausmaß physischer Gewalt wieder. Laut einer G20-Studie ist Indien aufgrund der gesellschaftlich weit verbreiteten Gewalt gegen Frauen und Mädchen das „frauenfeindlichste Land unter den großen Nationen“ und liegt auf dem letzten Platz noch hinter Saudi-Arabien, also einem Land in dem es Frauen nicht mal gestattet ist Auto zu fahren.
Um die Situation der Frauen in Indien etwas deutlich zu machen listen wir hier einige konkrete Zahlen einiger Verbrechen an Frauen auflisten.
Jedes Jahr werden laut Schätzungen mindestens 25.000 kleine Mädchen getötet.
Abtreibung weiblicher Babys: Nach Schätzungen werden in Indien eine Million weibliche Babys jährlich abgetrieben, weil ihre Familien keine Tochter, sondern einen Sohn wollen. Denn wenn Töchter verheiratet werden, dann kostet das nach altem Brauch Mitgift, wofür sich die Familien oftmals hoch verschulden müssen.
Mädchentötungen: Aus dem gleichen Grund werden neugeborene Mädchen von ihren Familien häufig ausgesetzt oder getötet. „Doodh-peeti“ ist der Name eines grausamen Brauchs im Nordwesten Indiens, bei dem neugeborene Mädchen in Milch ertränkt werden. Weibliche Babys werden auch in nasse Handtücher gewickelt oder in kaltes Wasser getaucht, damit sie an Lungenentzündung sterben. Jedes Jahr werden laut Schätzungen mindestens 25.000 kleine Mädchen getötet.
Mitgiftmorde: Schätzungsweise 25.000 Frauen werden in Indien jedes Jahr Opfer von sogenannten Mitgiftmorden. Der Mann oder die Schwiegereltern bringen die Braut um, weil ihre Eltern angeblich nicht genug Mitgift zahlen. Viele der Frauen werden lebendig verbrannt und die Morde dann als „Küchenunfälle“ vertuscht, da in indischen Haushalten Kerosinherde weit verbreitet sind. Viele der Frauen bringen sich auch selber um, da sie von der Familie des Mannes systematisch misshandelt werden.
Vergewaltigungen: In Indien steht für Frauen Vergewaltigung auf der Tagesordnung. 2011 wurden 24.000 Vergewaltigungen registriert, 2013 waren es 33.707 registrierte Fälle. Zu unterstreichen ist bei diesen Zahlen, dass es sich tatsächlich nur um die registrierten Fälle handelt. Zum Vergleich liegt die Zahl der registrierten sexuellen Nötigungen in Deutschland bei etwa 15.000 Fällen im Jahr. Doch in Indien gibt es große ländliche Gebiete in denen der Staat überhaupt nicht die Möglichkeit oder den Willen hat die Zahl der Vergewaltigungen zu registrieren. Nicht zu vergessen, dass die Polizisten, besonders in den Gebieten in denen der Volkskrieg entfaltet ist selber in großer Zahl zu den Vergewaltigern gehören. Die Zahl der tatsächlichen Vergewaltigungen liegt also garantiert um ein sehr vielfaches höher. In manchen Bundesstaaten Indiens, beispielsweise Bihar, praktizieren die Großgrundbesitzer auch noch das sogenannte „Recht der ersten Nacht“, also das „Recht“ die zukünftige Braut eines Bauern, der auf seinem Land arbeitet, noch vor der Hochzeit zu vergewaltigen. Die Vergewaltigung ist also ein fester Bestandteil des halbfeudalen Systems in Indien.
Häusliche Gewalt: Ein Drittel der verheirateten Frauen in Indien wird von ihrem Mann oder von seiner Familie misshandelt. Jede Zehnte erleidet schwere häusliche Gewalt und wird z.B. mit einem Messer verletzt.[1]
Diese patriarchalen Bedingungen zeigen wie groß die Notwendigkeit der Revolution sind und warum die Frauen sich so massenhaft der KPI (maoistisch) und der Volksbefreiungsguerillaarmee (PLGA) anschließen. Etwa 40% Kämpferinnen und Kämpfer der PLGA sind Frauen[2] und 60% ihrer Kader sind Frauen. Das Zentralkomitee und das Politbüro der Partei hatten im Jahre 2010 keine weiblichen Mitglieder (neue Angaben seit dem sind nicht bekannt). Vor einigen Jahren starb die einzige Frau im Zentralkomitee an Malaria, Genossin Anuradha Ghandy.[3] Innerhalb der Revolutionären Volkskomitees, die in den Gebieten der Neuen Macht auf dem Land aufgebaut werden stellen Frauen die Hälfte der Mitglieder. Auch genannt seien die die von der Partei geführten Massenorganisationen für Frauen. Die bedeutendste ist die die Krantikari Adivasi Mahila Sangathan (Revolutionäre Adivasi Frauenorganisation; KAMS), sie ist mit über 100.000 Mitgliedern die größte Frauenorganisation in ganz Indien. Hervorgegangen ist sie aus der AMS, die vor der Vereinigung mit dem Maoistisch Kommunistischen Zentrum zur KPI (maoistisch) eine Massenorganisation der KPI (ML) [Volkskrieg] war. Die KAMS umfasst aufgrund ihres Charakters als Massenorganisation nicht ausschließlich Kommunistinnen, sondern unterschiedliche Frauen aus dem Volk, die sich alle gegen ihre Unterdrückung wehren. So kämpft die KAMS unter anderem gegen die Zwangsverheiratung von Frauen und kämpft für die Teilnahme der Frau an der Produktion. So war es in manchen Dörfern Dandekaranyas für Frauen verboten Saatgut auszusäen. Die Mitglieder der KAMS traten daraufhin an die Partei heran, die Treffen mit den Dorfbewohnern abhielt, um das Problem anzusprechen. Nachdem die Männer sich weigerten die Lösung des Problems umzusetzen sorgte die Partei dafür, dass den Frauen eigene Felder auf dem kollektiven Land zugewiesen wurden, auf dem sie aussäen und Gemüse anpflanzen können.
Da die KAMS mit der KPI (maoistisch) in Verbindung steht ist sie verboten und die Mitglieder sind für die Söldner des indischen Staates zum Abschuss frei gegeben. In ihrem Bericht „Wanderung mit den Genossen“ über die Zeit die sie mit der KPI (maoistisch) und der PLGA verbracht hat beschreibt die indische Intellektuelle Arundhati Roy auch einige der Aktivitäten der KAMS und schildert ihre Begegnungen mit einigen der Aktivistinnen. Der Text sei schon alleine darum jedem interessierten Leser empfohlen.
2010 gab die KPI (maoistisch) das Buch „Women Martyrs of The Indian Revolution“ (Märtyrerinnen der indischen Revolution) in zwei Bänden in englischer Sprach heraus, das 500 der bis dahin gefallenen Kämpferinnen der indischen Revolution vorstellt. An dieser Stelle wollen wir eine Übersetzung einer der Texte abdrucken:
Genossin Kajal Martyrium: 07.07.2010
Comrade Kajal (Sarita Sundar Gota) wurde am 07. Juli 2010 in der Nähe von Dongargaon in Kurkhedain Tesil vom Gadchiroli – District (Andhra Pradesh) zu einer Märtyrerin gemacht.
Die notorisch grausamen C-60 Kommandos von Maharashtra ergriffen Kajal und ermordeten sie brutal. Die PLGA Genossen waren nach Dongargaon gegangen um die Menschen dort zu Treffen. Als sie sich auf den Rückweg machten, bekam die Polizei einen Hinweis von Informanten und die C-60 Kommandos umzingelten das Dorf. Die Polizisten waren fast 200 an der Zahl und die Anzahl der PLGA Guerillakämpfer war nur fünf. Die Polizisten sahen Kajal kommen, umzingelten sie und schossen. Kajal war verletzt und die Polizei erfasste sie lebendig. Sie folterten sie grausamst, fragten sie nach dem Aufenthaltsort der anderen PLGA Guerillakämpfer. Sie versagten bei dem Versuch irgendetwas aus ihr herauszubekommen, jagten fünf Kugeln in ihren Körper und töteten sie. Die Söldner Streitkräfte spannen die selbe „Encounter-Geschichte“.
Kajal war nur 17 Jahre alt als sie starb. Sie war ein intelligentes Kind. Sie beendete ihre Grundschule und danach begann sie sich in den Programmen der Bauern, Frauen und anderen Massenorganionen zu beteiligen, ihre Stimme erhebend gegen die Ausbeutung und Unterdrückung der herrschenden Klassen. Sie war ein Mitglied der CNM (Kulturbrigade) und hob das Bewusstsein der Leute mit ihrem Lied und ihrem Tanz. Dann schloss sie sich der Miliz an und bekam militärisches Training. Ihre politischen Ansichten reiften sprunghaft aus und sie beschloss eine Guerillakämpferin der PLGA zu werden. Sie bewies sich als eine Guerillakämpferin und schloss sich dem Zug der PLGA an.
Kajal nahm an vielen Aktionen gegen die Polizei in Gyarapatti teil, und ließ damit die Polizei nicht zur Ruhe kommen. Sie spielte eine wichtige Rolle bei der Versorgung der PLGA mit Materialien in den Savargaon und Bhimankojji Gebieten. Die PLGA vernichtete 15 Maharashtra Polizisten bei Markagaon wo diese dabei waren, die Leute seit vielen Jahren sehr grausam zu quälen. Kajals Rolle in der Aktion war von großer Bedeutung. Sie nahm auch in der Aktion Teil in der 16 Tonnen Sprengstoff eingenommen wurde. Kajal hat immer gelächelt und hat sich sehr gut mit jedem vereint. Sie gewann die Herzen der Leute und ihrer Guerillakämpfer-Genossen mit ihrem freundlichem Verhalten und ihrem kulturellen Geschick.
Dieses arme Bauernmädchen hat alleine den hunderten grausamen C-60 Polizisten die Stirn geboten und hat nichts verraten trotz der Bosheit der Folter.
Kajal träumte von einer Gesellschaft frei von irgendeiner Ausbeutung und Unterdrückung und es ist unsere Pflicht ihre Träume zur Erfüllung zu bringen. Ihre Entschlossenheit und ihre Tapferkeit werden uns immer dabei inspirieren ihre Ziele zu Erreichen.
Der proletarische Feminismus, ist ein fester Bestandteil des Marxismus-Leninismus-Maoismus, hauptsächlich Maoismus und muss auch als solcher angenommen, hochgehalten und angewendet werden.
Der Volkskrieg in Indien und die Teilnahme der Frau an ihm bestätigt, was die Kommunistische Partei Perus in dem Dokument „Der Marxismus, Mariátegui und die Frauenbewegung“ geschrieben hat:
„Die Frau ist nicht, wie man sagt, apolitisch und gleichgültig. Die Frau, im Besonderen die aus dem Volke, ist eine revolutionäre Kämpferin. […] Die Frau ist kein simples passives Wesen, weder Nippes, noch ein apolitisches Werkzeug. Die Frau mit Klassenbewusstsein ist eine unermüdliche Kämpferin und eine entschlossene Militante.“
Doch auch wenn die Teilnahme der Frau im bewaffneten Kampf gut und richtig ist, so ist es doch kein Punkt an dem man stehen bleiben kann. Besonders daran, dass die obersten Führungsorgane zuletzt keine weiblichen Mitglieder hatten sieht man, dass die indischen Genossen ein großes Problem in der Anerkennung des proletarischen Feminismus haben. Doch der proletarische Feminismus ist ein fester Bestandteil des Marxismus-Leninismus-Maoismus, hauptsächlich Maoismus und muss auch als solcher angenommen, hochgehalten und angewendet werden. Und das bedeutet, dass die Frauen nicht nur mit der Waffe in der Hand Seite an Seite mit den männlichen Genossen kämpfen, sondern auch die sondern auch die Übernahme von Führungsaufgaben von Frauen. Etwas was die Genossinnen nicht beweisen müssen, dass sie es können, sondern zeigen das sie es auch wollen. Der Kampf um die Durchsetzung proletarischen Feminismus müssen die indischen Genossinnen selber führen und er geht zum großen Teil auch gegen das Patriarchat in den Genossen und alle seine Ausdrücke. Wir sind sicher, dass sie dies auch tun werden, da es den Notwendigkeiten der Revolution entspricht.
[1]http://www.sos-kinderdoerfer.de/unsere-arbeit/
[2]Botschaft an die Mailänder internationale Konferenz in Solidarität mit dem Volkskrieg in Indien
[3]IDSA, „Women in maoist ranks“